Marktrisikoprüfung: Gestaltungsmöglichkeiten jetzt sinnvoll nutzen

Nun ist es einige Wochen her, seit die Bundesanstalt ihre Rechtsauffassung zu den Aufgaben und Pflichten der Verwahrstelle veröffentlicht hat. Wesentliche Inhalte waren bereits aus der Konsultation bekannt. Dennoch scheint erst jetzt der „Startschuss“ gefallen und zahlreiche Marktteilnehmer haben begonnen, sich mit notwendigen Interpretationen und Spiegelung auf die eigenen Prozesse zu beschäftigen.

Das eigene Verständnis über die formulierten Anforderungen ist dabei von wesentlicher Bedeutung. Nur so wird das Fundament geschaffen,  auf dem kosteneffiziente und transparente Abläufe gestaltet werden können. Bei den Analysen sollte auch eine Perspektive eingenommen werden, die neben der Rechtsauffassung der BaFin auch die Gesetze und Verordnungen, deren Kommentierung und Intention mit einbezieht, insbesondere Schutz der Anlegerinteressen. Nur so können die gewonnenen Erkenntnisse in Bezug zu den bestehenden Verfahren gebracht werden.

Dabei sollte auch regelmäßig analysiert werden, ob sich Gesetze oder die Rechtsauffassung – oder beides – geändert hat. Nehmen wir die Marktrisikoprüfung als Beispiel. In ihrer Erläuterung zur Derivateverordnung (Juli 2013) weist die BaFin  darauf hin, dass zur Prüfung des Marktrisikopotentials nach qualifiziertem Ansatz spezielle (Risiko-)Systeme notwendig sind und PC-Programme, wie z.B. Tabellenkalkulation, nicht ausreichen. Wer die Lizenz- und Administrationskosten solcher Risikosysteme zur Modellierung, VaR-Berechnung, Simulation und Backtesting kennt, würde sicher gerne widersprechen. Viele KVGen in Deutschland halten die kostenintensive Infrastruktur selbst nicht vor, sondern beziehen Services von entsprechenden Anbietern. Auf Grund dieser Administrations-Aufwände, wenn auch ohne Bezug zum Gesetz, nimmt die Aufsicht die Marktrisikoüberwachung nach qualifiziertem Ansatz aus dem Prüfumfang der Depotbank (Depotbankrundschreiben 6/2010 WA) heraus. Begründung: Kosten und Nutzen stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander.

Mit Übergang InvG zum KAGB hat sich an der Pflicht zur Kontrolle der KVG-Weisungen nichts geändert. Auch in der Vergangenheit häufig festgestellte Schadenspotentiale durch unerkannte oder falsche Verletzungen der Marktrisikogrenze – dies wäre ebenfalls ein Grund zur Änderung der Rechtsauffassung der BaFin – sind nicht bekannt. Die in der AIFMD Level II Verordnung geforderte Hebelüberwachung kann dieser Änderung der Auffassung ebenfalls nicht zugeordnet werden, da die Methode hierzu dem einfachen Ansatz (Commitment) entspricht. Wenn es also weder durch Gesetze und Verordnungen, noch nutzenseitig einen Anlass zu geänderter Auffassung gibt, kann die jetzt im Verwahrstellenrundschreiben geforderte „Angemessenheit“ durchaus vor dem Hintergrund der Kosten-Nutzen-Argumente gesehen werden.

Nun gilt es also für Verwahrstellen, einen pragmatischen Ansatz der Kontrolle zu finden, der vor dem 4.4.2016 und auch danach nicht unangemessen erscheint. Nutzen durch zusätzliche Kontrollen kann dort gestiftet werden, wo in den Prozessen Risiken erkennbar sind (oder vermutet werden). Dem folgend, könnten, in Anlehnung an den Standard für Controls Reports, spezifische Kontrollziele definiert und beschrieben werden. Ein mögliches Kontrollziel wäre z.B. „Die KVG überprüft regelmäßig die Annahmen, die zur Entscheidung über den verwendeten Ansatz zur Ermittlung der Grenzauslastung führen, und hält jeweils aktuelle Dokumentationen vor…“

Da die KVG bei der Organisation und den Verfahren im Rahmen der Administration ihrer Risikosysteme definierten Anforderungen aus dem KAGB, der Derivate Verordnung, der KAVerOV und der AIFMD Level II Verordnung genügen muss, beziehen sich auch die Kontrollen der KVG-Prüfer auf diese Sachverhalte. Durch die Bereitstellung entsprechender Unterlagen wie Prüfberichte (Auszüge) und Dokumentationen, könnte die Verwahrstelle diese Dokumente ihren eigenen Prüfungen zugrunde legen. Die notwendigen Bereitstellungs- und Informationspflichten wären als Ergänzung im SLA zu regeln.

Ein weiterer, wichtiger Regelungspunkt für Servicevereinbarungen bezieht sich auf die Übermittlung der berechneten Auslastungen aus den KVG-Systemen. Abhängig von den Anforderungen der Verwahrstelle, müssen sich die Parteien über das Format, den Inhalt und die Frequenz der Übermittlung sowie über die Konsequenzen bei Verletzungen abstimmen. Während Meldepflichten und Behebungsfristen aufsichtsrechtlich definiert sind, ist die Ermittlung von Ursachen von Verletzungen oft schwierig, da es zahlreiche Einflussfaktoren (z.B. über Änderung der Risiken im Vergleichsportfolio) für die Auslastung gibt. Die Abstimmung zwischen KVG und Verwahrstelle hierüber kann zur Herausforderung werden.

Unabhängig vom gewählten Verfahren gilt deshalb auch hier: Kontrollen setzen Verständnis voraus. Ohne Grundkenntnisse der Methodik sowie der organisatorischen und technischen Umsetzung der Marktrisikoprüfung nach qualifiziertem Ansatz, können auch mit hohem Aufwand betriebene Überprüfungen durch Verwahrstellen nur wenig (Qualitäts-)Nutzen stiften.

Gemeinsam mit Spezialisten für Risikomessung entwickeln wir einen möglichst standardisierten und effizienten Kontrollansatz für Verwahrstellen, den wir gerne vorstellen und diskutieren (auch hier im Expertenzirkel). Bei Fragen oder Anregungen, sprechen Sie uns an: admin@fundlounge.com


Beitrag veröffentlicht

in

, ,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar