Aktive Grenzverletzungen in Fonds: Wie Erkennen und Behandeln als Depotbank?

(Armin Jacobi, Averroes Concept Lounge) Die Depotbanken als Kontrolleure der rechtmäßigen Verwaltung der Fonds müssen erkennen, dass eine Grenzverletzung vorliegt. Sie stehen auch, entsprechend den Vorschriften des Depotbankrundschreibens, vor der täglichen Aufgabe, zwischen aktiven und passiven Verletzungen zu  differenzieren, diese mit dem Fondsverwalter zu verifizieren und zu kommentieren sowie ggf. Handlungen für den Fondsverwalter abzuleiten.

Dabei stellen sich im Prüfalltag folgende Fragen:

  1. Was ist eine aktive was ist passive Verletzung?
  2. Wie unterscheidet man diese zwei Verletzungsarten bei gegebenen Daten?
  3. Welche Handlungen müssen erfolgen?

1. Begrifflichkeit der „aktiven“ vs. „passiven“ Grenzverletzungen.

Eine aktive Verletzung liegt vor, wenn der Fondsverwalter eine Aktivität durchführt, die zu einer Änderung der grenzverletzenden Bestandspositionen führt. Eine passive Verletzung liegt vor, wenn dies nicht der Fall ist bzw. wenn die Bestandsveränderung technischer Natur ist (Split, Reverse Split, etc.). Dies gilt auch für Ratingänderungen ohne Orderaktivität. Passive Verletzungen werden häufig durch Bewertungsänderungen verursacht.

Bei dieser Definition gibt es natürlich Grenzfälle, die im Einzelfall betrachtet werden müssen. Man denke an Bezugsrechte, Fusionen, Gratisaktien, Kombinationen von Ursachen und weitere mögliche Fälle. Man sollte vermeiden hier jedes Haar zu spalten, denn in der Theorie sind die Möglichkeiten unbegrenzt (man denke z.B. an Vertragsregeln mit Durationvorgaben zur Benchmark und deren angekündigter Änderung kombiniert mit illiquiden Bestandspositionen und einem engen Markt).

Interessanterweise gibt es das Adjektiv „aktiv“ und „passiv“ im Kontext einer Grenzverletzung nur im Depotbankrundschreiben nicht aber in der InvPrüfBV der InVVerOV oder dem InvG.

In der InvPrüfBV wird nur von „beabsichtigten“ und „unbeabsichtigten“ Verletzungen gesprochen. Daher kann eine beabsichtigte Verletzung (= eine intendierte Handlung) mit einer aktiven Verletzung gleichgesetzt werden.

Wenn Depotbanken nicht ausreichend präzise entscheiden können oder wollen, können sie alle Verletzungen umgehend an die entsprechende KAG melden, also als Annahme immer von einer aktiven Verletzung ausgehen. Dies führt u.U. zu leichtem Mehraufwand, ist aber auch sicherer, da passive Verletzungen zeitnäher übermittelt werden (z.B. durch Ratingherabstufungen).

Zusätzlich kann schneller gemeinsam oder durch die Verwalter analysiert werden, welche Handlungen zu ergreifen sind. Man denke an Bewertungsfragen, Abgrenzungs- und Synchronisierungsfragen oder auch daran, wann z.B. eine Kapitalmaßnahme verarbeitet wurde.

2. Wie kann die Depotbank eine solche Verletzung erkennen?

Technisch gibt es zwei Möglichkeiten, wenn man von der Unterscheidung durch Ordertätigkeit ausgeht: Erstens, in dem zwei Bestandstage der Zeitpunkte t-n und t verglichen werden. Hierbei müssten die technischen Veränderungen als irrelevant eliminiert werden.

Die zweite Möglichkeit wäre ein Zugriff auf alle Transaktionen (Aufträge), die zwischen t-n und t durchgeführt wurden.

Allerdings müssen in beiden Fällen die nicht automatisch mit Sicherheit erkannten Fälle manuell unter Verwendung der Daten verifiziert werden. Diese Einzelprüfung, sowie auch alle automatischen  Prüfungen, müssen entsprechend den internen Vorgaben der Wirtschaftsprüfer, der Revision sowie der verantwortlichen Geschäftsführung umgesetzt werden. Bezugsrechte, die eingebucht werden und zu Verletzungen führen, können z.B. je nach KAG und Depotbank als aktiv oder passiv angesehen werden. Speziell wenn es z.B. keinen Bezugsrechtshandel gibt. Je mehr Fälle in einer Standardvorgehensbeschreibung „antizipiert“ werden, desto mehr Sicherheit in den Verfahren.

3. Welche Handlungen müssen erfolgen?

Der Gesetzgeber hat der Depotbank als kontrollierende Stelle einen zeitlichen Rahmen für die Kommunikation nach dem Erkennen einer Verletzung gesetzt. Bei aktiven Verletzungen umgehend nach Erkennen, bei passiven spätestens 5 Tage nach Verletzungseintritt. Abgesehen vom zeitlichen Rahmen sollte der Inhalt nach folgendem Schema kommuniziert werden.

  • Ist es eine Verletzung? Es kann auch an falschen, veralteten, nicht synchronisierten oder different abgegrenzten Daten oder dem Regelaufbau liegen. Falls es sich um einen relevanten Datenfehler oder eine abweichende Prüflogik handelt, dann muss eine spezielle Meldung, insbesondere bei Modell 1-Verfahren, erfolgen.
  • Wie kann die Verletzung behoben werden? Vorschläge müssen mit dem Fondsverwalter erarbeitet und ein Vorgehen entschieden werden bzw. ein Vorgehen gewürdigt werden. Das Vorgehen muss zeitlich begrenzt werden und die Zeitgrenze mit Puffer ebenfalls kontrolliert werden, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.

Bei passiven Verletzungen passen die 5 Tage des Depotbankrundschreibens zu den erwähnten 10 Tagen in der InvPrüfBV, da nach 10 Tagen erst eine Meldung (wenn Verletzung >= 0,5% vom NAV) erfolgen muss (Dabei ist in der Praxis zu beobachten, dass Verwalter diese Meldung meist generell vermeiden wollen). Die sofortige Meldung von aktiven Verletzungen passt ebenfalls, da die KAG binnen 3 Tagen Verletzungsdauer und ebenfalls ab einer gewissen Höhe s.o. melden muss.

Probleme ergeben sich, wenn die Depotbank nicht täglich prüft. Wenn Sie nur einmal die Woche Spezial-Sondervermögen prüft und diese Prüfung z.B. am Freitag stattfindet, dann können aktive Verletzungen vom Wochenanfang schon nicht mehr ohne Meldung nach InvPrüfBV behoben werden (außer die KAG hat es bereits erkannt). Die Aufsicht hat diese technische Konstellation allerdings im Depotbankrundschreiben ausdrücklich erwähnt und gebilligt.

Neben diesen drei Punkten sollte noch erörtert werden, wie sich Modell 1 und Modell 2 bezüglich Aktiv- und Passivverletzungen unterscheiden. Beim Modell 1 ist es durch die gleiche Prüfgrundlage geboten, stärker auf die Daten und die Regeln einzugehen, sie regelmäßig zu inspizieren bzw. die Interpretation der Vertragsgrundlagen zu hinterfragen. Dazu müssen mindestens die Vorgaben aus dem Depotbankrundschreiben eingehalten werden. Oft wird dabei der Mengenunterschied zwischen Gesetz und Vertrag unterschätzt. Gesetzesteile für Fondstypen sind immer gleich und werden oft en block angehangen. Vertragsregeln sind individueller und nur z.T. schematisiert. Dort lauern also durch die schiere Menge mehr Problemfälle.

Beim Modell 2 erfolgt dies durch die unabhängige Prüfung und den Vergleich der Ergebnisse automatisch, denn bei Abweichungen, die nicht an den Daten liegen, muss eine Prüfregel der Depotbank oder KAG inhaltlich abweichen. Wenn die Daten stark abweichen, müssen diese geprüft werden.

Wenn Aspekte nicht automatisch geprüft werden können, muss die Depotbank manuelle Prüfungen entwickeln und nichtdestotrotz ihre Beobachtungen als aktiv oder passiv klassifiziert weiterleiten.

Armin Jacobi ist Geschäftsführer der Averroes Concept Lounge GmbH, ein europaweit agierendes Beratungsunternehmen für Asset Manager und Research Einheiten. Mehr Informationen zu Services und Lösungen unter www.averroesconcept.de.


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